pianist
Es gibt Künstler-Karrieren, die gleichen einer Rakete: schnurgerade noch oben, und manchmal folgt dann ein ebenso abrupter Absturz. Es gibt aber auch Karrieren, die sich wie eine Schlangenlinie ihren Weg suchen müssen im Urwald unserer Musikindustrie. Das sind oftmals die interessanteren Künstler, denn sie finden einen sehr persönlichen Stil, anstatt sich zu sehr am Musik-Markt zu orientieren. Ein solcher Künstler ist der Pianist Tilman Krämer, der nach seiner hoch gelobten Mendelssohn-Einspielung nun eine CD mit frühen Klavierwerken von Johannes Brahms eingespielt hat. Der Pianist Tilman Krämer kostet diesen Reichtum an Farben und Emotionen genüsslich aus. Er hat sich tief in die Seele des jugendlichen Stürmers und Drängers hineinversenkt, der sich seine Erinnerungen an den Besuch bei den Schumanns in seinen Balladen op. 10 von der Seele schrieb. Krämers Identifikation mit dem jungen Brahms geht soweit, dass er ihm auf Fotos manchmal zum Verwechseln ähnlich sieht. Gewiss eine Äußerlichkeit, die aber symptomatisch scheint für eine künstlerische Seelenverwandtschaft. Nichts wirkt der Musik aufgezwungen, alles wächst ganz natürlich aus sich heraus. Obwohl die Interpretation klug durchdacht ist von der ersten bis zur letzten Note, scheinen manche Einfälle völlig spontan zu kommen. Eine mitreißende Aufnahme, die daran erinnert, dass abseits des Rummels bei Nachwuchs-Wettbewerben Künstler heranwachsen, die viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätten. Der 33jährige Tilman Krämer gehört dazu. Und die begeisterte Hörerin mag hinzufügen: so nah hat man Brahms in Tönen schon lange nicht mehr erlebt.
Corinna Hesse, NDR Kultur (CD- Tipp), 7. Juli 2006
Er sieht ihm schon etwas ähnlich. Die gleichen langen, hoch angesetzten Haare, das gleiche ovale Gesicht. Tilman Krämer könnte leicht als Doppelgänger von Johannes Brahms durchgehen, vergleicht man die Fotographie des Komponisten aus dem Jahr 1853 mit den etwas selbstverliebten Bildern des Booklets aus Krämers neuer CD. Die dritte Klaviersonate von Johannes Brahms beschäftigt Tilman Krämer schon ein ganzes Jahrzehnt. Ein Kosmos, der niemals endet: das sei für ihn die kontrollierte Gefühlswelt dieses Komponisten, meint Krämer. Mit poetischem Feingefühl interpretiert Tilman Krämer den langsamen Satz aus Johannes Brahms’ dritter Klaviersonate. Krämer, 1973 im Baden-Württembergischen Leonberg geboren und in Stuttgart sowie in Lübeck ausgebildet, ist ein Pianist, der die Stimmungen der Musik von Brahms tief auszuloten weiß. „Verschleierte Symphonien“ mit „wehklagenden und lautjubelnden Stimmen“ seien seine Sonaten, meinte Clara Schumann, die auch zwei Sätze der f-Moll-Sonate 1854 erstmals dem Publikum vorstellte – vor der eigentlichen Uraufführung. Tilman Krämer entwickelt diesen symphonischen Zug an Brahms’ Musik zum einen wuchtig und donnernd, zum anderen horcht er nuancenreich in sie hinein. Hierzu lässt er sich viel Zeit. Bei den 1854 komponierten Balladen Opus 10 ist Tilman Krämer ganz in seinem Element.
Markus Bruderreck, WDR 3 ("HörZeichen"), 7. Oktober 2006
Die f-Moll Sonate op.5 ist die letzte und bei weitem umfangreichste der drei Klaviersonaten, die Johannes Brahms komponierte. Intensiv hat sich Tilman Krämer vor dem Gang ins Produktionsstudio mit dem Werk auseinandergesetzt, was in jedem Ton hörbar ist: mit analytischem Gespür legt er motivische Verwandtschaften, thematische Bezüge, satzübergreifende Zusammenhänge offen, kostet mit energischem Anschlag orchestrale Klangfülle und dynamische Kontraste aus, überlässt sich – scheinbar spontan – dem durchaus improvisatorischen Gestus der Musik. Im zweiten Satz, dem Brahms ein literarisches Motto zugrunde legte: „Der Abend dämmert, das Mondlicht scheint, da sind zwei Herzen in Liebe vereint und halten sich selig umfangen“, findet Tilman Krämer zu einem gemäßigten Tempo, das dem intim erzählenden Duktus der Musik gerecht wird.
Sylvia Sistermanns, Deutschlandradio ("Musikforum"), 5. September 2006
„Beginnen wir mit frühem Klavierwerk von Brahms. Erschienen auf „Venus Music“, einem jener neuen Kleinlabels, vertrieben hierzulande von Codaex. Der noch junge Lübecker Pianist Tilman Krämer spielt hier die dritte Sonate f- Moll und die Balladen op. 10. Und er spielt so, dass man heraushört, er hat den jungen Brahms verstanden. Zwischen auftrumpfender Gebärde und zweiflerischem Stau, zwischem Emphase und Grübeln, die Erfahrung Schumann noch erregend neu, aber die Furcht vor dem Schatten diverser Giganten hinter ihm, ebenso präsent. Gerade der frühe Brahms fordert differenziertestes Gestalten, eine Zerissenheit, die nichts geradlinig oder zustimmend abbildet. Tilman Krämer, dem im Übrigen sogar eine gewisse physiognomische Ähnlichkeit mit dem jungen Brahms verbindet, ist das nicht entgangen.
... Sonate Nr. 3 f- Moll op. 5, der dritte Satz - ein Scherzo. Gespielt mit grösster Clartée, aber auch zweiflerisch in allem Überschwang- abgebildet innerhalb eines fabelhaft natürlichen Klangraumes- schon aufnahmetechnisch eine der brillantesten Klavierscheiben der letzten Jahre. Tilman Krämer spielte, der Deutschland Funk produzierte, das Label „Venus Music“ veröffentlichte.“
Thomas Rübenacker, SWR2 („Pattenprsima“), 8. Juli 2006
Bei dem kleinen Label Venus Music präsentiert der 1973 in Baden-Württemberg geborene Pianist Tilman Krämer jetzt die erste Folge einer Serie mit dem frühen Klavierwerk von Johannes Brahms. Mit 20 Jahren komponierte Brahms bereits seine dritte Klaviersonate f-Moll op. 5 – und es sollte auch schon seine letzte bleiben. „Mehr verschleierte Symphonien“ nannte ein euphorischer Schumann diese frühen Geniestreiche, was nur teilweise zutrifft. Das wird deutlich, wenn Tilman Krämer in dieser „CD-Box“ nun noch die ersten drei Sätze aus der fünfsätzigen f-Moll-Sonate von Brahms spielt: dramatisch aufrauschend den Kopfsatz Allegro maestoso, versonnen und poetisch das Nocturne-hafte Andante espressivo und keck überschwänglich das Scherzo – Allegro energico.
Bayerischer Rundfunk, CD- Box vom 27. Oktober 2006
Tilman Krämer – ein Geheimtipp
Im Jahre 1853 begab sich der gerade mal zwanzigjährige Brahms mit dem ungarischen Geiger Reményi auf eine mehrmonatige Konzerttournee. Sein Ziel war es, sich der allgemeinen Öffentlichkeit vorzustellen und mit den bedeutenden Musikerpersönlichkeiten der Zeit in Kontakt zu treten. Am folgenreichsten war seine Begegnung mit Robert Schumann, den er in Düsseldorf besuchte. Schumann, von dem Klavierspiel und Kompositionstalent des jungen Brahms begeistert, ebnete seinem Schützling auf zweifache Weise den Weg: Er empfahl ihn seinem Verleger Breitkopf in Leipzig und veröffentlichte einen prophetischen Artikel in der Neuen Zeitschrift für Musik. Auf Brahms lastete fortan ein starker Erwartungsdruck, der ihm sehr zu schaffen machte. Wir wissen bis heute nicht, wie viele seiner frühen Kompositionen er daraufhin vernichtet hat. Fest steht, dass die ersten Werke, die Brahms Ende 1853 und Anfang 1854 unter seinem Namen veröffentlichte, von einer ungewöhnlichen, fast schon unheimlichen kompositorischen Reife zeugen.
Der Pianist Tilman Krämer hat sich nun diesem sog. Frühwerk für Klavier angenommen und sinnvoller Weise bis auf die Balladen op. 10 ausgedehnt. Auf seiner aktuellen Brahms-CD (Venus Music, 2006) kombiniert er ebendiesen Zyklus mit der dritten Sonate op. 5.
Es ist Krämers beste Aufnahme seiner noch jungen Karriere und zugleich eine der wichtigsten Brahmsinterpretationen der letzten Jahre.
Felix Stephan, klassik.com, 2. November 2006
Innere Zerrissenheit
Der junge deutsche Pianist Tilman Krämer nimmt sich nach seiner (zu Recht) hoch geschätzten Gesamteinspielung von Mendelssohns „Lieder ohne Worte“ den jungen Brahms vor. Der erste Teil der Reihe „Das frühe Klavierwerk“ Brahms’ bietet die Dritte Sonate f-Moll op. 5 nebst den Balladen op. 10. Eine Einspielung also, die ein bekanntes Zugpferd (f-Moll-Sonate) mit den eher selten zu hörenden, aber keineswegs minder interessanten Balladen verbindet. Wie auch schon bei Mendelssohn macht sich Krämer frei von vielen („falschen“) Traditionen und versucht, sich dem Werk unvoreingenommen zu nähern. Damit gelingt ihm eine Interpretation, die den Gehalt der Musik bestens trifft und damit absolut zu überzeugen vermag.
Kritik von Tobias Pfleger, klassik.com, 26.10.2006
EIN GENUINER BRAHMS-INTERPRET Supersonic
Schon lange habe ich Klaviermusik von Johannes Brahms nicht mehr so erlebt, wie auf dieser CD! Tilman Krämer hält nichts von purer nordischer Strenge, sondern versucht es höchstens mit nordischer Kraft, aber auch mit einem stupenden rhythmischen Reichtum, dessen Raffinement den Hörer überwältigt. Die 3. Sonate erlangt so eine Intensität, die in der Diskographie dieses viel gespielten Werkes wenige Entsprechungen besitzt. Krämers kontrastreiches, agogisch intelligent gestaltetes und gefühlvolles Spiel, das nicht eine vornehmlich massige und donnernde Stoffbehandlung im Sinn hat, führt im ersten Satz zu sehr überzeugenden Resultaten und setzt den zweiten Satz nicht zu sehr vom ersten ab. Überhaupt ist die Musik in dieser Sonate sehr verbunden und macht daher einen homogeneren Eindruck, als das in anderen Interpretationen der Fall ist. Und auch wenn es im Scherzo zu funkelnden Klängen kommt, bleibt das Kantable, das Hymnische voll erhalten. Da Finale wird virtuos ausgespielt, macht aber nie den Eindruck des Hektischen, weil Krämer nicht eilt, sondern Virtuosität vor allem durch die Schnellkraft der Details erzeugt. Über all dem aber liegt die Emotionalität und Leidenschaftlichkeit des jugendlichen Komponisten, den Tilman Krämer offensichtlich sehr gut verstanden hat und dessen komponiertes Seeleleben er in einer darstellerisch sehr natürlichen Art und Weise vor uns ausbreitet. Man hat wirklich nie den Eindruck, Tilman Krämers Spiel sei recherchiert!
Auch mit den vier Balladen identifiziert sich der Interpret hundertprozentig. Der wohl tönende Klavierklang verfälscht den Charakter der Balladen nicht: dafür sorgt Krämer, der von innen heraus Dramatik inszeniert.
Rémy Franck, "Pizzicato", 9 / 2006
Und noch eine Gesamtaufnahme ist in Gang gekommen: Tilman Krämer widmet sich auf "Johannes Brahms, Das frühe Klavierwerk, Teil 1" der Sonate Nr. 3 f-moll und den Balladen op. 10. Und wie er das spielt, mit allen jubelnden Aufschwüngen und heimlichen Zartheiten, das lässt, in der orchestralen Fülle und Differenziertheit des Klangs, an Schumanns bekanntes Wort über den jungen Brahms denken: "Es waren Sonaten, mehr verschleierte Sinfonien ..."
Wolfgang Fuhrmann, „Partituren“, 9 / 2006
Der Pianist Tilman Krämer entfaltet vor den Ohren der Hörer Klanglandschaften. Er führt sie durch zerklüftete Felsen, vorbei an verträumten Seen zu sonnigen Lichtungen. Seine Einspielung früher Brahmswerke beim Label Venus Music ist soeben ausgezeichnet worden.
Gabriele Müller, 22. August 2006
Ein Pianist, der Brahms „kann“ Eigentlich seien die drei Klaviersonaten „mehr verschleierte Symphonien“, meinte Robert Schumann, als er den jungen Johannes Brahms enthusiastisch in die musikalische Öffentlichkeit einführte. Tatsächlich: orchestrale Klangwirkungen, Charaktervielfalt und Denken in großen Zusammenhängen sind gerade der f-Moll-Sonate op.5 (dem letzten der drei Werke) von Grund auf einkomponiert. Allerdings kriegen Pianisten diese Musik nur dann überzeugend in den Griff, wenn sie aus dem Vollen der Technik schöpfen und dabei ebenso feinfühlig wie weitblickend spielen. Der junge Tilman Krämer, vorwiegend an der Lübecker Hochschule bei Konrad Elser ausgebildet, hat diese Qualitäten. Technische Höchstanforderungen setzt er direkt in spannungsvollen Ausdruck um, hat ein gutes Gespür für Strukturen und für Zwischentöne. Sein Brahms ist intensiv und lebendig, aber nicht übereilt. Bei lyrischen Episoden der Sonate verliert er sich ganz ins tiefempfundene Hier und Jetzt. Schon jetzt ist er, wie auch die Balladen zeigen, ein Pianist, der Brahms wirklich „kann“!
Michael Struck, "Kieler Nachrichten", 20. September 2006
Der junge Pianist Tilman Krämer, ehemals Schüler von Konrad Elser an der Lübecker Musikhochschule und mittlerweile dortselbst Lehrbeauftragter, hat eine mustergültige Aufnahme früher Klavierwerke von Johannes Brahms vorgelegt. Die Sonate Nr. 3 f- Moll op. 5 und die Balladen op. 10 bieten in dieser Einspielung einen wunderbaren Einblick in die Schaffenswelt des jungen Brahms. Es ist dabei nicht nur das virtuose Spiel Tilman Krämers, das begeistert. Es ist vorallem die Fähigkeit zur Gestaltung. Die fünf Sätze erklingen zwischen zartester Tongebung und donnernden Eskapaden, der Einstieg in den Kopfsatz der f- Moll Sonate ist ein Meisterstück für sich. Auch die Balladen op. 10 gelingen Tilman Krämer vorzüglich. Der Pianist agiert auch in diesen Miniaturen mit Geschmack und feiner Anschlagskultur.
Jürgen Feldhoff, Lübecker Nachrichten, 19. Dezember 2006
Auch wenn der aus Leonberg stammende Pianist Tilman Krämer einer weiteren musikalischen Öffentlichkeit noch zu wenig bekannt ist, lässt seine frühe, Brahms gewidmete Klaviermusik- CD aufhorchen. Trotz vieler beachtenswerten Einspielungen der Sonate op. 5 kann Krämer mit markantem Zugriff und Klangfarbenreichtum für sich einnehmen. Auf dem gut aufgenommenen Steinway- Flügel zeigt er sich als sehr differenzierten- klangmächtiger Pianist mit Sinn für Überschwang und Poesie der Musik. Dies prägt auch die Balladen op. 10. Auf eine angekündigte zweite CD, die im Herbst aufgenommen wird, mit den Sonaten op. 1 und op. 2 von Brahms darf man gespannt sein.
Thomas Weiss, "Pforzheimer Zeitung", 1. September 2008